Der Leserbriefschreiber nimmt den beabsichtigten Austritt Großbritanniens aus der EU zum Anlass, eine kritische europäische Bestandsaufnahme zu machen. Was ist da alles schief gelaufen?
- Die fehlende europäische Identifikationsfigur.
Die Identifikationsfigur der USA ist der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, die Identifikationsfigur Russlands ist der Präsident Russlands. Und die Identifikationsfigur Europas? Die Wahrnehmung der Europäer schwankt zwischen Jean Claude Juncker und Martin Schulz. Keiner von beiden ist es ganz. Vorschlag zur Abhilfe: Wahl eines „Präsidenten der Vereinigten Staaten von Europa“ durch die europäischen Bürger. Europa gelangt damit auf Augenhöhe mit den USA und Russland und hört endlich auf, untertänig und ängstlich zu den beiden aufzublicken. - Die fehlende Überschaubarkeit des europäischen Apparates.
Was haben wir denn da alles an europäischen Organisationen?
- den Europarat.
- den Europäischen Rat.
- die Europäische Kommission.
- das Europäische Parlament.
- den Rat der Europäischen Union.
Ob wohl einer von eintausend europäischen Bürgern weiß, was diese Organisationen tun und wie sie sich voneinander unterscheiden? Vorschlag zur Abhilfe: Der „Bund der europäischen Steuerzahler „ („Taxpayers Association of Europe“) forstet mit Management – Experten aus der freien Wirtschaft diesen Dschungel von Planstellen einmal durch und macht ihn gertenschlank.
- Die fehlende Demokratie.
Die Bürger Europas sind seit Jahrzehnten anlässlich der Europawahlen zu den Wahlurnen gelaufen und durften die Abgeordneten des europäischen Parlamentes wählen, ohne dass am Ende eine europäische Regierung dabei herausgekommen ist. Ersatz ist die Europäische Kommission, deren Mitglieder von den nationalen Regierungen bestimmt werden. Die Europaabgeordneten dürfen sie anhören, begutachten und „abnicken“, aber nicht wählen. Das Recht, einen Regierungschef aus ihrer Mitte zu wählen, welches jedes andere Parlament der Welt hat, wird dem Europaparlament verweigert. Vorschlag zur Abhilfe: dem Europäischen Parlament wird das uneingeschränkte Recht übertragen, einen europäischen Regierungschef zu wählen, der wiederum die Mitglieder seines Kabinetts ernennt, so wie es guter demokratischer Brauch ist. - Das zu schnelle Wachstum.
Die EU – Erweiterungskommissare haben zu gute Arbeit geleistet.Die EU ist zu schnell gewachsen, ohne zusammenzuwachsen. Alle wollten ganz schnell zum eigenen Vorteil an den „Goldesel“ in Brüssel herankommen, aber die Frage nach der „europäischen Solidarität“, wenn der Kontinent in Not gerät, haben die Erweiterungskommissare offensichtlich gar nicht gestellt. Das sehen wir jetzt. In der Flüchtlingsfrage ist das nun ganz offensichtlich geworden. Vorschläge zur Abhilfe:4.1. Schaffung einer mit Autorität ausgestatteten europäischen Regierung, die, wenn monatelange Versuche, einen Konsens zu erzielen, scheitern, den europäischen Staaten Flüchtlingsquoten zuteilt, welche diese zu akzeptieren haben. Entweder die europäischen Regierungen nehmen diese Regelung an, oder Europa wird wieder zerfallen! Dann fallen wir wieder in das Zeitalter nationaler Währungen und zahlloser Kriege zurück, wovon Europas Nationalisten zu träumen scheinen.2.Sofortige Einstellung der EU – Erweiterung:“! Lasst erst einmal in Ruhe zusammenwachsen, was angeblich zusammengehören will!“ Möge Herr Erdogan erst einmal die Kurdenfrage im Sinne der Menschenrechte in seinem eigenen Lande lösen, bevor er anfängt, in die EU zu drängen! - Die fehlende zentrale Autorität.
Europa ist nicht wirklich fertig,weil die europäischen Regierungen sich bis zum heutigen Tage weigern, Europa mit den Machtbefugnissen auszustatten, ohne die eine souveräne Regierung nicht wirken kann.“Pro forma“ wollen sie Einheit Europas, aber “de facto“ wollen sie sie nicht, weil sie auf ihre nationale Macht nicht verzichten wollen und weil sie nicht bereit sind, sich „Europa“ unterzuordnen. Deshalb befindet sich das „Projekt Europa“ zurzeit in einer Phase des Stillstands, und die Bürger fangen an, an dieser Einrichtung zu zweifeln. Vorschlag zur Abhilfe: Bürger Europas, fordert die Schaffung einer europäischen Regierung mit Machtbefugnissen. Nur ein Europa, das Macht hat, kann eure Bedürfnisse befriedigen, nicht aber ein unfertiger Apparat, der bei den nationalen Regierungen in jeder Angelegenheit – wie in der Flüchtlingsfrage – betteln gehen muss! - Die übergestülpte Autorität der NATO.
Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die NATO der Knüppel ist, mit welchem die Führungsmacht USA von jenseits des „großen Teiches“ in europäische Angelegenheiten hineinregiert, vor allem zu dem Zweck, zu bewirken, dass das Verhältnis zwischen Europa und Russland nie so spannungsfrei wird, dass es für die amerikanische Rüstungsindustrie nichts mehr zu verdienen gibt. Der amerikanische Außenminister Kerry hätte besser daran getan, nach der BREXIT- Erklärung der Briten auf sein Treffen mit der Außenbeauftragten der EU, Frau Mogherini zu verzichten. Europa benötigt in der jetzigen Situation weder Einmischung noch Belehrung der USA. Der Dialog zwischen Großbritannien und der EU ist kompliziert genug. Vorschlag zur Abhilfe: Bürger Europas, fordert eine Umwandlung der Beziehungen zwischen der EU und den USA, die so beschaffen ist, dass sie eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der EU und Russland begünstigt, um die Kriegsgefahr in Europa zu verringern. Dieser Prozess sollte nicht an der Ukraine scheitern.
Otfried Schrot