In einem Punkte war dieser Gipfel zu einhundert Prozent erfolgreich: er war eine mit Hilfe des
Wetters und der Medien perfekt inszenierte Selbstdarstellung der Bundeskanzlerin – zu Kosten
zwischen 130 und 360 Millionen Dollar – insofern ein Gipfel der Maßlosigkeit. Auf einem
amerikanischen Flugzeugträger wäre das Ganze billiger gekommen – allerdings ohne die deutsche
Gemütlichkeit, ohne Hefeweizen, Berggipfel und Kuhglocken. Das politische Ergebnis des Gipfels
leidet an dem Mangel, dass das Erreichen der beschlossenen Ziele zum großen Teil in die Hände
noch ungeborener Generationen gelegt worden ist, die in Elmau „nicht dabei“ waren. Es
ermöglicht den gegenwärtigen Machthabern, so „weiter zu wursteln“ wie bisher. Die Frage nach der
Legitimation der Konferenz muss gestellt werden. Davon hängt ab, wer sich am Ende an der Umsetzung der Beschlüsse beteiligt. Die ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates waren nicht
komplett vertreten. Ohne den guten Willen Russlands und Chinas ist das Gipfelergebnis zum
Scheitern verurteilt. Die Androhung weiterer Sanktionen gegen den in der Runde dringend benötigten Wladimir Putin ist eine politische Stümperei ersten Ranges. Der Moralprediger Obama
möge sich nicht der Illusion hingeben, dass er Putin wie einen Schuljungen abkanzeln und zu der Büßergeste bewegen kann: „Ich bitte demütig um Verzeihung für die Besetzung der Krim“. Putin
wird höchstens zu einer Reaktion bereit sein, bei der er nicht das Gesicht verliert. Der Gipfel diente
offensichtlich auch der Pflege einer weiteren Illusion: der Umgang der Bundeskanzlerin mit
Präsident Obama, der sie hat abhören lassen, wirft die Frage auf, ob sie ihn beschämen wollte oder
ob sie wirklich noch an die deutsch – amerikanische Freundschaft glaubt. Obama muss mit dem
Gefühl nach Washington zurückgeflogen sein, dass man mit Deutschland alles – aber auch alles –
machen kann, ohne dass es gewichtige Folgen hat.
Der „wichtigste Tagesordnungspunkt aller Zeiten“ auf einer politischen Agenda hat
gefehlt: die Frage des kompletten globalen Ersatzes militärischer Gewalt zur Lösung
von Konflikten durch Gerichtsurteile bestehender oder noch einzusetzender Gerichte
Die Waffenentwicklung schreitet unablässig fort und die Kriege richten immer größere Schäden an.
Wenn dem nicht bald Einhalt geboten wird, wird sich früher oder später eine „Superwaffe“ in den
Händen eines „Finsterlings“ befinden, der fernab von jeder Realität entschlossen ist, die Welt zu
vernichten. Die James – Bond – Filme haben uns solche apokalyptischen Gestalten vorgeführt. Der
Mann für diese Rolle ist sogar schon da. Er geistert bereits durch die Medien und richtet auf den
nahöstlichen Schlachtfeldern Unheil an. Der IS kämpft mit Waffen aus zwanzig Nationen. Es
scheint eine „stillschweigende Übereinkunft“ zwischen der Rüstungsindustrie und dem
internationalen Terrorismus zu geben. Durch dunkle Kanäle fließen in der einen Richtung die
Waffen, in der anderen das Geld. Sollte das geschilderte Katastrophenszenario eines Tages bittere
Realität werden, können wir die edlen Zielsetzungen des Gipfels von Elmau vergessen. Drei der fünf
größten Waffenexporteure der Welt waren in Elmau anwesend. Barack Obama, der größte
Waffenexporteur der Welt, und Angela Merkel, die viertgrößte Waffenexporteurin der Welt, haben
das Thema in Elmau, wie es scheint, totgeschwiegen. Staatsoberhäupter und Regierungschefs
sitzen während der Kriege, die sie auslösen und führen, im Allgemeinen „weitab vom Schuss“ in
sicheren, warmen und trockenen Bunkern – im Gegensatz zu den Millionen Frauen und Männern,
die keine Chance haben, sich gegen ihre Einberufungsbescheide zu wehren und nach dem Tode
auf dem Schlachtfeld ihren Familien fehlen, die mit einem Kondolenzbrief abgespeist werden.
Elmau war ein schönes Schauspiel. Man sah nur die im Lichte, die im Schatten sah
man nicht.
Der Gipfel von Elmau - eine Bilanz
- von Otfried Schrot
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