Die Welt ist von einer lärmenden Debatte erfüllt über die Frage, wie das Flüchtlingsproblem zu lösen ist. Niemand dringt bis zur Wurzel des Übels vor. Die Wurzel des Übels ist das Fehlen eines von den Bürgern der Welt gewählten Weltparlaments, welches die Befugnis hat, Regierungschefs abzusetzen, die ihre Völker misshandeln und als Folge der Misshandlung Flüchtlingsströme erzeugen, die zu einer Belastung für alle anderen Staaten der Welt werden und das darüber hinaus auch die Kompetenz hat, diese Regierungschefs mit Polizeigewalt aus ihren Ämtern zu entfernen. Das ist die Theorie. Der Weg von der Theorie zur Realität beginnt mit der Erkenntnis, dass wir zur Erreichung der besseren Welt, die wir uns für unsere Kinder und Enkel wünschen, nicht mehr Waffen produzieren müssen, sondern mehr geschütztes und durchgesetztes erst internationales und danach übernationales Recht schaffen müssen. Von der UNO ist diese Initiative nicht zu erwarten, denn sie ist ein „Kuhmarkt“ der Regierungen, auf dem nach der Devise gehandelt wird: “Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.“ Von den Parlamenten der Welt ist eine solche Initiative ebenfalls nicht zu erwarten, denn die sogenannten Regierungsparteien vertreten die Interessen der am Machterhalt interessierten Regierungen und nicht die Interessen der leidenden Menschheit. Eine andere Kraft ist gefragt: die Nichtregierungsorganisationen.
Die Nichtregierungsorganisationen sind das Produkt des Handlungsdefizits der Regierungen, der Ausfluss der unbefriedigten Bedürfnisse der Menschheit. Was den Nichtregierungsorganisationen fehlt, ist die Erkenntnis, dass sie ihre Ziele leichter durch einen globalen Zusammenschluss und die Zusammenfassung ihrer Forderungen im Entwurf einer Weltverfassung realisieren könnten, den sie der UNO zur Beschlussfassung vorlegen. Nicht die amtierenden Machthaber, die allmählich in ihren Machtpositionen in geistiger Unbeweglichkeit und verbissenem Machterhalt verkalken, werden die bessere Welt schaffen, nach der sich Millionen sehnen, sondern nur die gutorganisierten, vom Leidensdruck der Menschheit empor gehobenen Nichtregierungsorganisationen. Die Nichtregierungsorganisationen müssen sich jedoch dieser noch nicht in Angriff genommenen Aufgabe erst einmal bewusst werden. Dazu soll dieser Leserbrief dienen. Wenn wir uns damit abfinden, in einer Weltordnung zu leben, in der immer wieder Menschenverächter und Despoten eine Chance erhalten, an die Macht zu kommen und ihren Völkern Leid zuzufügen, anstatt solche Politikerkarrieren durch die Schaffung und Durchsetzung strenger Auswahlregeln für nationales wie internationales politisches Führungspersonal zu verhindern, werden unsere Nachkommen noch im Jahre 10 000 hilflos, ratlos und hoffnungslos Flüchtlingsströme an sich vorüberziehen sehen. Otfried Schrot
Die Wurzel des Flüchtlingsübels
- von Otfried Schrot
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