Die griechische Regierung ist dabei, das Flüchtlingslager von Idomeni zu räumen. Ein Kommentator der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ schreibt dazu in einem Leitartikel am 25. Mai 2016: „Idomeni steht für das Scheitern der europäischen Flüchtlingspolitik und für ein Scheitern der Entschärfung des Problems zugleich.“Das ist eine viel zu schwache Formulierung. In Wirklichkeit ist Schlimmeres passiert. Idomeni steht für das kollektive Versagen der politischen Verantwortungsträger der Welt, die bessere Welt zu schaffen, die sie der Menschheit 1945 in der Charta der Vereinten Nationen versprochen haben. Das hängt eng mit einem weltpolitischen Defizit zusammen: es gibt noch keinen internationalen politischen Bildungs – Prüfungs – und Auswahlmechanismus, den zukünftige Regierungschefs und Staatschefs durchlaufen müssen, bevor sie sich der „Wahl durch das Volk“ stellen dürfen. Immer noch kann sich jeder „politische Brüllaffe“, der es versteht, die Massen aufzuhetzen und aufzuheizen, wie ehedem Hitler, zum Weltenherrscher wählen lassen. Wir haben noch nicht begriffen, dass die Wahl durch das Volk keine Gewähr dafür bietet, dass der Gewählte das Volk nicht in den Untergang führt. Die Völker haben auch noch nicht begriffen, dass es keiner Demokratie guttut, wenn Machthaber immer wieder Dynastien gründen wollen wie die Kennedys, die Bushs, die Clintons, die Kims und die Assads. Das ist eine schleichende Umgehung des Prinzips, dass Demokratie vom Wechsel lebt, genau wie ein halbes Dutzend Wiederwahlen der Kohls und der Merkels. Idomeni steht auch noch für etwas anderes: für die brutale, skrupellose Überflutung des Planeten mit Waffenexporten, welche die Folge der Bereitschaft der politischen Apparate der Welt ist, sich von der Rüstungsindustrie bestechen zu lassen, um Waffenexporte zu genehmigen. Dieser Prozess ist schwer beweisbar, aber bei der Suche nach den Ursachen der Symptome zwingend zu vermuten. Meine Herren von der Rüstungsindustrie auf dem ganzen Planeten, lassen Sie sich eines sagen: wenn dieser Planet auf Grund ihrer erfolgreichen Waffenexporte bis auf die Grundmauern zerstört ist, wenn Millionen auf der Erde herumirrender Flüchtlinge keine Heimat mehr finden, wenn Sie niemanden mehr finden, der ihre Waffen kauft, weil die Volkswirtschaften der Welt durch die von Ihrer Profitgier angezettelten Kriege vernichtet sind, dann werden Sie dank Ihrer Tüchtigkeit einen Weltzustand geschaffen haben, der auch Ihnen nur noch die Möglichkeit lässt, sich von Regenwürmern zu ernähren! Das sei Ihnen gegönnt! Wenn die Welt überhaupt noch gerettet werden kann, dann nicht von „denen da oben“, die durch Machtgebrauch und Bestechung verdorben sind, sondern von „denen da unten“, den Nichtregierungsorganisationen, die im täglichen Angesicht des Leides gegen den beharrlichen Widerstand der Regierungen für eine bessere Welt kämpfen! Otfried Schrot
Idomeni
- von Otfried Schrot
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