George Orwell hat mit seinem Roman „1984“ vor einem zentralen Überwachungsstaat gewarnt. Mit der Erörterung dieses Problems einher geht der Dauerkonflikt zwischen Freiheit und Sicherheit. Seit der Veröffentlichung von Orwells Roman in Deutschland im Jahre 1950 ist schon einige Zeit vergangen, und wir können nun schon besser beurteilen, wohin die Reise geht. Es gibt Dinge, die wir besser dezentral erledigen, aber auch solche, die nur zentral geregelt werden können, wenn etwas besser werden soll. Zu den Dingen, die wir – wenn überhaupt – nur zentral regeln können, gehören die Abschaffung des Krieges, die Kontrolle des Rauschgiftes – und die Kontrolle des Geldes. Die mehr oder weniger in jedem Menschen schlummernde Profitgier strebt nach der Vermehrung dessen, was man hat, ob es sich um Regierungschefs handelt oder Börsenangestellte oder andere ganz gewöhnliche Sterbliche. Dieses Streben ist dem der Finanzminister entgegengesetzt, sprudelnde Steuereinnahmen zu erzielen. Briefkastenfirmen dienen der Verschleierung von Einkünften vor den Augen der Aufseher öffentlicher Finanzen. Wir können davon ausgehen, dass jeder der 193 Mitgliedsstaaten der UNO ein eigenes Steuerecht hat. Das ist – global gesehen – ein steuerrechtlicher Dschungel. In diesem Dschungel will der deutsche Finanzminister Schäuble nun Ordnung schaffen, indem er dem System der Briefkastenfirmen Zügel anlegt. Nun – Kapital ist nicht nur ein scheues, sondern auch ein schlaues Reh. Deshalb sei gesagt: solange es kein einheitliches Welt – Steuerrecht gibt, wird das System der Briefkastenfirmen nicht aussterben. Da viele Regierungschefs – wie wir inzwischen erfahren haben – selber von der derzeitigen steuerlichen Welt – Un – Ordnung profitieren, werden sie die Idee einer Vereinheitlichung des Welt – Steuerechtes nicht nur nicht unterstützen, sondern ihr ihren entschlossenen Widerstand entgegensetzen. Herr Schäuble steht also allein da. Wenn er sein Ziel erreichen will, tut er gut daran, sich mit den glücklicherweise immer zahlreicher und immer mitgliederstärker werdenden international vernetzten Nichtregierungsorganisationen zusammenzusetzen, die an demselben Ziele arbeiten, nämlich einen angemessenen Anteil des global erwirtschafteten Profits dem notleidenden Teil der Menschheit zukommen zu lassen. Otfried Schrot
Briefkastenfirmen
- von Otfried Schrot
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