„König Salomo, wo bist Du?“
Seit der Gründung des Staates Israel wird im Nahen Osten gehasst und getötet. Die politischen Führer versuchen wieder und wieder, den Konflikt durch die Anwendung derselben Rezepte zu lösen, die sich bereits als untauglich erwiesen haben. Die drei Schwestern Ratlosigkeit, Hilflosigkeit und Einfallslosigkeit geistern durch den Nahen Osten. Die Weisheit der drei Heiligen Bücher des Islams, des Judentums und des Christentums setzen nicht die moralischen Kräfte frei, die erforderlich sind, um dem Nahen Osten zu befrieden.
Die Hauptursache liegt darin, dass Israelis und Araber aufeinander herabschauen. Beide betrachten sich gegenüber dem anderen als moralisch überlegen und deshalb privilegiert.
Die zweite Ursache liegt darin, dass Israel immer einen starken Vertreter seiner Interessen im Rücken gehabt hat, nämlich die USA. Ein gleichermaßen starker Rückhalt hat den Palästinensern zu allen Zeiten gefehlt.
Die dritte Ursache liegt darin, dass die Brückenbauer fehlen. Der Weltsicherheitsrat, dessen Hauptverantwortung gemäß Artikel 24 der UN – Charta die Erhaltung des Weltfriedens ist, fällt infolge der Zerstrittenheit der USA und Russlands wegen fehlender Autorität aus. Die Chefs der beiden Konfliktparteien, Netanjahu und Abbas, überfluten sich mit Schuldzuweisungen.
Die vierte Ursache liegt im unablässigen Siedlungsbau Israels, der früher oder später im Nahen Osten die Gegenkräfte auf den Plan rufen wird, welche den Staat Israel vernichten werden, trotz israelischer Atombombe und trotz des Schutzschirmes der infolge der immer weiter ausufernden Staatsverschuldung immer schwächer werdenden Weltmacht USA.
Was tun?
Die angedachte Zwei – Staaten – Lösung wird nach Ansicht des Verfassers zu einer Zementierung der Feindschaft zwischen Israelis und Palästinensern führen. Die Heiligen Stätten in Jerusalem lassen sich gar nicht so aufteilen, dass jede der beiden Parteien ihren“ gerechten Anteil“ für ihren eigenen Staat bekommt.
Die Unteilbarkeit der Heiligen Stätten ist vielmehr eine schicksalhafte Aufforderung zur Gemeinsamkeit.
Ich schlage daher das Gegenteil einer Zwei – Staaten – Lösung vor: in den von Israel gebauten Siedlungen werden sowohl israelische als auch palästinensische Familien untergebracht. Je eine benachbarte israelische und eine palästinensische Familie begründen eine „Familienpatenschaft“ und verpflichten sich darin zur Nachbarschaftshilfe für die jeweilige Patenfamilie. Ich bezeichne das als „Lösung des Nahostkonfliktes von unten her“, die allerdings nur mit viel Geduld zu realisieren ist.
Ich bin der Überzeugung, dass dieses Modell dem Nahen Osten eher den Frieden bringen wird als die Zwei – Staaten – Lösung. Herr Netanjahu muss seine Siedlungspolitik nur geringfügig ändern.
Diese Zuschrift überschreitet den Rahmen eines gewöhnlichen Leserbriefes. Von der Einsicht der Chefredakteure hängt es ab, ob sie die Bedeutung dieses Aufsatzes erkennen und ihn trotzdem veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen
Otfried Schrot
Oberstleutnant a.D.
Autor des Buches „Zwanzig Appelle eines Zornigen an die Welt“